Polizei Northeim erklärt Konsum zur Straftat

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In einer Pressemitteilung der Polizei Northeim vom 9. Juni heißt es, dass gegen eine 31-jährige aus dem Ort Einbeck in Niedersachsen ein Strafverfahren aufgrund des Besitzes von Betäubungsmitteln eingeleitet worden sei, ohne dass bei ihr zuvor illegale Substanzen gefunden wurden. Die Begründung: „Da der Genuss auch den Besitz voraussetzt, wurde ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet“, so die Pressestelle.

Auf Nachfrage bestätigte die zuständige Pressestelle der Polizei Northeim den Vorfall und begründete die Strafanzeige gegen die 31-jährige Frau, die nach Angaben des Pressesprechers im Rahmen eines Einsatzes aufgrund häuslicher Gewalt gestellt wurde.

„[…].  Im Rahmen der polizeilichen Sachverhaltsaufnahme ergaben sich Hinweise auf eine Drogenbeeinflussung, die durch einen entsprechenden Test gleich für mehrere Drogen bestätigt wurden. BTM-Konsumenten machen sich jedoch trotz der Straflosigkeit des Konsums regelmäßig wegen dem vorausgehenden Besitz, ggf. auch wegen Anbau, Einfuhr pp. strafbar. Juristisch ist ein Konsum ohne Besitz zwar durchaus denkbar, in der Praxis aber eher selten anzutreffen. Der Wortlaut der Pressemitteilung ist daher unglücklich, spiegelt aber die überwiegende Rechtsmeinung [sic!]. Da dem Konsum in der Regel der Besitz voraus geht, ergab sich für die Beamten der Anfangsverdacht einer Straftat. Ähnlich sah es in der Vergangenheit auch das OLG Hamburg, siehe 1 Ss 129/07 (2-41/07 (REV)). Im Sinne des Legalitätsprinzips wurden daher Ermittlungen aufgenommen und gegen die nunmehr Beschuldigte ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Besitzes von Betäubungsmitteln eingeleitet.“

 

Die Polizei irrt

Doch so klar, wie es die Polizei in Northeim sieht, ist die Rechtslage nicht – im Gegenteil. Denn es gibt in Deutschland noch keinen einzigen Fall, bei dem eine Person verurteilt wurde, wenn, so wie in diesem Falle, überhaupt keine Betäubungsmittel aufgefunden wurden. Bei dem in der Stellungnahme erwähnten Urteil des OLG Hamburg handelte es sich um einen Mann, bei dem 2007 eine sehr Geringe Menge Crack gefunden wurde, die eindeutig zum Eigenkonsum dienen sollte. Damals stellte das Oberlandesgericht Hamburg fest, dass selbst der Besitz sehr Geringer Mengen strafbar sei. Doch im aktuellen Fall gab es gar kein Corpus Delicti. Bleiben Konsum und Rausch übrig – doch das sind definitiv keine Straftaten. Anders herum gibt es sehr wohl zahlreiche Urteile und Kommentare zum Betäubungsmittelgesetz, die glasklar eine Straffreiheit des Konsums illegaler Substanzen feststellen.

Ähnliches hatte die Polizei in Viersen schon einmal versucht – und war kläglich gescheitert. Damals hatte man versucht, Coffeeshop-Kunden, die ohne Gras oder Hasch zurück nach Deutschland kamen, alleine aufgrund des Besuchs eines niederländischen Coffeeshops zu kriminalisieren. Von 2009-2014 hagelte es reihenweise schlussendlich folgenlose Anzeigen gegen heimkehrende Kiffer auf dem legendären Coffeeshoppfad. 

Auch wenn das Verfahren gegen die 31-jährige aller Wahrscheinlichkeit nach eingestellt wird, scheint die Rechtsauffassung der Northeimer Polizei wenig erfolgversprechend und zudem schlecht mit dem Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland vereinbar.

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