Seit ein paar Tagen ist nicht nur die Cannabis-Community auf Youtube in Aufruhr. Grund dafür ist Youtubes rigoroses Entfernen von Videos, die aus Sicht des Unternehmens gegen interne Richtlinien verstoßen. Seit der Einführung einer durch Künstliche Intelligenz gesteuerten Software wurden allein im letzten Quartal 2017 8.284.039 Videos von der Plattform entfernt.
Aus dem erstmals vorgelegten Transparenzbericht des Unternehmens geht hervor, dass mehr als ein Video pro Sekunde entfernt wurde – die meisten davon vollautomatisch durch Youtubes Algorithmen. Dieses Durchgreifen soll eigentlich dazu dienen, strafbare Inhalte zu erkennen und schnellstmöglich zu entfernen. Allerdings schießt die Künstliche Intelligenz deutlich über das Ziel hinaus: Kanalbetreiber, egal ob Privatpersonen oder Medienhäuser, erhielten innerhalb kürzester Zeit mehrere Warnungen (Strikes), die bei vielen bekannten Youtubern dazu führte, dass ihr Kanal ohne Vorwarnung gelöscht und die Konten der Uploader gesperrt wurden.
Egal ob Kanäle von US-Youtubern aus Staaten, in denen Cannabis legal ist, oder Patienten, die legal Cannabis in Videos konsumieren und darüber sprechen – viele von ihnen, darunter auch Simon von Open Mind, haben ihren Youtube-Account und somit hundertausende Follower bereits verloren. Szenebekannte Größen wie „Der Micha“ stellen ihre Accounts auf privat, um einer Löschung ihres Kanals durch Youtube zu entgehen.
Doch warum werden cannabis- und allgemein drogenbezogene Youtuber gebannt?
Werfen wir einen Blick in die AGB von Youtube bzw. Google, genauer gesagt in die Kategorie „Schädliche oder gefährliche Inhalte“:
„Zu den Videos, die unserer Meinung nach gefährliche oder illegale Aktivitäten fördern, zählen Anleitungen zum Bombenbau, Erstickungsspiele, die Verwendung harter Drogen oder andere Handlungen, die ernsthafte Verletzungen zur Folge haben können. Ein Video, das gefährliche Handlungen darstellt, kann zulässig sein, wenn es primär pädagogischen, dokumentarischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken dient und nicht unnötig grausam ist. Beispiel: Eine Veranschaulichung der Gefahren von Erstickungsspielen ist angemessen, während das Posten von Auszügen dieser Dokumentation ohne Kontext unangemessen sein kann.“
Bei Cannabis handelt es sich weder um eine harte Droge, noch können Aufklärungsvideos wie die von OpenMind (hier wäre jetzt eine Verlinkung zu seinem leider gesperrten Kanal!) ernsthaft als „schädlicher oder gefährlicher Inhalt bewertet werden. Woran könnte es also liegen, dass nun massenweisen Strikes verteilt und Accounts von Youtube geschlossen wurden?
Nachfrage bei „Open Mind“, der uns gegenüber das Ganze folgendermaßen schilderte:
„Nach meinem ersten Strike, hatte ich alle Videos (vor allem Tripberichte), die man auch irgendwie als fragwürdig bewerten könnte, offline gestellt. Dann bekam ich aber 2 Strikes für völlig unproblematische Videos: Den ersten für ein Video, in welchem ich die Drogengesetze in Holland erkläre, und den zweiten für ein Video, in welchem ich im Hanfmuseum zeige, welche Produkte aus Hanf hergestellt werden können. Selbst Gegner meines Kanals würden da doch einsehen, dass solche Videos nicht problematisch sind.“
Das eigentliche Problem sind allerdings Verlinkungen in bestimmten Videobeschreibungen, wie Simon in diesem Video ausführlich erklärt. Links zur bekannten Samenbank Sensi Seeds in der Videobeschreibung wurden von Youtube als Werbung für „gefährliche Inhalte“ angesehen, was dann zu den Strikes Zwei und Drei und somit zur Sperrung des Kanals führte. Auch der als „Der Micha“ bekannte Moderator und Autor Michael Knodt sieht das Problem bei den Verlinkungen in den Videobeschreibungen.
Und was passiert jetzt mit der Youtube-Community?
Die wird, sofern Youtube beim rigorosen Löschprogramm bleibt, wohl Umziehen auf andere Plattformen. Bereits jetzt gibt es auf Twitch, Vimeo oder sogar Pornhub die neu gestarteten Kanäle bekannter Youtuber, die sich ihre Arbeit nicht verbieten lassen.
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