Jens Spahn zu Cannabis: „Ich bin kein Ideologe“

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Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner lädt regelmäßig Menschen aus Kultur, Sport, Wissenschaft und Politik in seinen Podcast „1 Thema, 2 Farben“ ein, um mit ihnen über diverse Themen zu diskutieren. In der aktuellen Folge hatte er Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Gast, wo unter anderem Spahns Einstellung zu Cannabis thematisiert wurde. Wer Spahns Äußerungen zum Thema verfolgt, kennt sicherlich seine karnevalsreife Anekdote „Jesus hat Wasser zu Wein gemacht und nicht Gras zum Schwarzen Afghanen“, die er gerne mal zum Besten gibt.

Obwohl der Podcast sich laut der Episodenbeschreibung eigentlich primär um die Herausforderungen für die Pflege durch die immer weiter alternde Gesellschaft drehen soll, kommen Lindner und Spahn gleich zu Beginn des Gesprächs auf das Thema Cannabis – unter anderem weil Spahn vor Start der Aufzeichnung das Stichwort lieferte, als er nachfragte, ob die Berliner Hipgetränke von Lindners Mitarbeiterinnen einen Cannabiszusatz enthielten.

„Was genau für ein Problem mit Cannabis hast du?“, will Lindner daraufhin vom Bundesgesundheitsminister wissen. Spahn berichtet von erhöhtem Therapiebedarf und Wartelisten für Cannabisentzug bei jungen Menschen und ist der Auffassung, dass Cannabis Probleme im Alltag verursacht. Dann folgen persönliche Beobachtungen: Spahn wuchs in der Nähe der niederländischen Grenze auf und hat im eigenen Freundeskreis erlebt, dass „da jemand morgens den Weg aus dem Bett nicht mehr gefunden“ und seinen Ausbildungsplatz verloren hat, nur um im gleichen Atemzug einzuräumen: „Ich weiß das ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme!“

Und obwohl er gerade noch von Ausnahmefällen sprach, bei denen problematische Konsummuster auftreten, kann Cannabis laut Spahn „für zu viele“ zu großen Problemen führen – und widerspricht sich damit in weniger als einer Minute selbst, was weder ihm noch seinem Gegenüber auffällt. Insgesamt dennoch eine dankbare Steilvorlage für Lindner, der bezüglich substanzverursachter Probleme fragt: „Trifft das nicht genauso auf Alkohol zu?“
Das tut es laut Spahn zwar auch und er ist laut eigenem Bekunden auch „kein Ideologe“ wenn es um Cannabis geht, aber am Ende sei es ein „Abwägen von Argumenten“, so der Bundesminister für Gesundheit. Nun folgt die übliche CDU-Rhetorik: Alkohol ist in Europa historisch und kulturell anders fundiert als in anderen Teilen der Welt. Zwar wisse Spahn um das Ungleichgewicht bei der Bewertung der Gefahren im Vergleich von Alkohol und Cannabis, nur dürfe man nicht eine Substanz mit der Begründung freigeben, dass eine andere ebenfalls schädlich sei.

Angesichts dieser Ausführungen zur Schädlichkeit warnt nun auch Lindner vor einer Verharmlosung, die aus seiner Sicht in manchen Legalisierungsdebatten hinsichtlich möglicher Missbrauchsprobleme stattfinde. Uns kann er da nicht meinen, aber wir würden natürlich gerne wissen, welche seriösen Debattenteilnehmer mögliche negativen Folgen des Cannabiskonsums negieren.
Aber weiter im Text: Christian Lindner sieht die Gesellschaft im Wandel. Ungeachtet der Gesetzeslage wird in Deutschland Cannabis konsumiert. Dealer bieten mitunter auch andere Drogen an. Wie wäre es also mit einer Freigabe von Cannabis und der Abgabe in Apotheken, will der FDP-Bundesvorsitzende mit Blick auf das von der FDP favorisierte Abgabemodell zur regulierten Abgabe an Erwachsene wissen.
Spahn zeigt sich hiervon wenig überzeugt und bezweifelt, dass durch eine solche Abgabe das Ende des Schwarzmarkts eingeläutet werde. Eher würden dann die Dealer im Görlitzer Park wohl dazu übergehen, andere Drogen als erstes zu verkaufen. Nichtsdestotrotz will Spahn „ideologiefrei“ und „ohne Scheuklappen“ die Kriminalitäts- und Suchtentwicklung in den legalisierten Ländern und US-Bundesstaaten intensiv verfolgen, er bleibt aber bei seinem aktuellen Nein zur Freigabe. Die Erkenntnisse der nächsten Jahre werden zeigen, was eine Legalisierung mit einer Gesellschaft machen wird. Warum man angesichts von bereits jetzt verfügbaren Studien und Erkenntnissen dafür allerdings noch viele Jahre Beobachtung braucht, bleibt das Geheimnis von Jens Spahn.

Was bleibt festzuhalten?
Jens Spahn betont mehrfach, kein Ideologe in der Frage nach einer Freigabe zu sein, wolle aber die Erfahrungen der nächsten Jahre abwarten. Christian Lindner scheint recht zufrieden mit dem Gesprächsverlauf, hört in den Aussagen Spahns eine prinzipielle Offenheit für Argumente heraus, was ihn gleich in mögliche Koalitionsverhandlungsszenarien abdriften lässt. Für Hanffreunde bleibt festzuhalten, dass Jens Spahn zu Cannabis zumindest noch ein bisschen mehr zu sagen hat als seine biblische Anekdote, die er dieses Mal glücklicherweise nicht bemüht hat. Immerhin! Wir werden den Bundesgesundheitsminister auf jeden Fall beim Wort nehmen, und ihn (und natürlich auch euch) regelmäßig über neuste Erkenntnisse aus den legalisierten Ländern unterrichten.

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