Fragwürdige MPU-Anordnung in Bonn

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Jeden Tag erreichen uns Anfragen zum Thema Cannabis im oder außerhalb des Straßenverkehrs und daraus resultierenden Aufforderungen zu fachärztlichen Gutachten oder MPU. Das Grundproblem “Verwaltungs- und Fahrerlaubnisrecht vs. psychoaktive Substanzen” ist ein trauriger Dauerbrenner und wird auch nicht ohne Grund als Ersatzstrafe für Cannabiskonsumenten bezeichnet.
Die Norm (Fahrerlaubnisverordnung) und die Rechtsprechung räumen den Verwaltungsbehörden einen extrem großen Ermessensspielraum ein, wenn es um Zweifel an der generellen Fahreignung geht. Die Behörden können Zweifel an der Fahreignung bei „schweren Erkrankungen“, hier unter Umständen der Verdacht auf eine Sucht- und Abhängigkeitsproblematik, oder bei erheblichen oder wiederholten Regelverstößen (§2 StVG Abs.4) begründen.

In der Praxis trifft es sehr oft auch Menschen, die zwischen Rausch und Fahrt trennen können, wie der uns vorliegende Fall aus Bonn zeigt. Der Betroffene wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle im Oktober 2020 mit Verdacht auf eine Drogenfahrt zu einer Blutprobe mitgenommen, bei welcher Werte von 0,7 ng/ml THC/Serum und 25 ng/ml COOH/Serum festgestellt wurden.

Im Folgenden wurde der Betroffene zu einer MPU aufgefordert und mit dieser Fragestellung konfrontiert:

“Kann Herr XXXX trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum sowie der bekannten Verkehrsteilnahmen unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen und verfügt er insbesondere über das erforderliche Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren im Sinne der Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung”

Mehrere bekannte Verkehrsteilnahmen? Erforderliches Trennungsvermögen hinterfragen bei den oben genannten Werten?
Es ist unbestritten, dass der Betroffene gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Zwar wurde der Betroffene wegen eines Verstoßes gegen das BtMG 2016 verurteilt und darauf hingewiesen, dass er mit Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde rechnen müsse, wenn er nach dem Konsum von Cannabis am Straßenverkehr mit einer THC-Konzentration von mehr als 1ng/ml Serum teilnehme. Bei der im Oktober 2020 erfolgten Kontrolle konnten zwar leichte Unsicherheiten bei den freiwilligen Tests festgestellt werden, die primär der Kontrollsituation geschuldet waren, allerdings waren diese nicht geeignet, um einen strafbarer Regelverstoß (§315c StGB) zu beweisen. Selbst eine Ordnungswidrigkeit gemäß §24a StVG konnte nicht festgestellt werden, da der Grenzwert (1ng/ml) deutlich unterschritten war.
Die festgestellten Werte sprechen daher eher für die Einhaltung des Nüchternheitsgebots, eine verkehrsrelevante Wirkung ist mit Sicherheit auszuschließen, so zumindestens die Toxikologen der Grenzwertkommission.

Die Fahrerlaubnisbehörde Bonn behauptet in ihrer Fragestellung, der Betroffene hätte wiederholt ein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt, und begründet dies mit einer einzigen Verkehrskontrolle – bei der eben kein Regelverstoß festgestellt werden konnte und der Betroffene damit sein Trennungsvermögen bewiesen hat! Es konnte nur festgestellt werden, dass dieser gelegentlich Cannabis konsumiert. Dieser Sachverhalt wiederum kann somit für sich alleine genommen keine Fahreignungszweifel begründen, wenn sich die Person an das Trennungsgebot hält (FeV, §14 Abs.1 Satz 3; §14 Abs. 2 Satz 3, i.V.m. Anlage 4 Punkt 9.2.2).
Selbst bei nachweislicher Einhaltung der aufgestellten Regeln für eine sichere Verkehrsteilnahme kommt es zu Fällen wie diesem, bei denen die Behörde trotz einer gerichtssicheren Blutprobe und dem darin enthaltenen Beweis für die Einhaltung des Trennungsvermögens Zweifel am Trennungsvermögen aufwirft und der gelegentliche Konsum als solcher zu einer MPU-Anordnung führt. Die Fahrerlaubnisbehörde Bonn macht hier klar, dass sie bei Cannabiskonsumenten mögliche Zweifel an der generellen Fahreignung, auch unabhängig von einem Missbrauchsverdacht oder Regelverstoß, regelrecht zusammen konstruiert! 

Dazu unser Führerschein-Experte Theo Pütz, der den Betroffenen in diesem Fall beraten hat:

“Mit einer solchen Überprüfungsanordnung signalisiert die Behörde klar und deutlich, dass es ihr nicht um die Trennungsbereitschaft und die Einhaltung der Verkehrsregeln, sondern grundsätzlich um den Konsum geht. Es scheint der Führerscheinbehörde egal zu sein, ob Cannabiskonsumenten wie im vorliegenden Fall genug Zeit zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme vergehen lassen oder eben nicht”.

Das alles geschieht vor dem rechtlichen Hintergrund, dass die Überprüfungsbegründung formaljuristisch nicht angegriffen werden kann. Der Betreffende wird zur juristischen Klärung grundsätzlich den sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis hinnehmen müssen. Wir werden den Fall weiter verfolgen und uns auch an die Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn wenden, mit der Bitte, diesen Fall  in ihrer Behörde kritisch prüfen zu lassen. 

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Führerscheinexperten Theo Pütz vom Beratungs-Netzwerk-Fahreignung, der seit Jahren auch DHV-Mitgliedern beratend zur Seite steht

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