ABDA: Apotheken riskieren Strafen für günstige Medizinal-Cannabisblüten

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Patienten berichteten in letzter Zeit immer wieder von Apotheken, die aus Angst vor finanziellen und berufsrechtlichen Konsequenzen die Preise für Cannabis Flos erhöht haben. Konkret geht es hier um Fälle aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat jetzt auf Anfrage bestätigt, dass Apotheken, die Cannabis abgeben, ohne die derzeit heiß diskutierten Aufschläge vollends zu berechnen, eine Ahndung durch die jeweilige Landesapothekenkammer riskieren. Vier zeitgleiche Anfragen bei den Apothekenkammern Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen (Lippe) und der Bundesapothekerkammer (BAK) haben übereinstimmend ergeben, dass Cannabis derzeit für rund 24 Euro pro Gramm verkauft werden muss, wenn die Apotheken sich wie gesetzlich vorgeschrieben an die Arnzeimittelpreisverordnung (AmPreisV) halten.

Die stellvertretende Sprecherin der ABDA, Dr. Ursula Sellerberg, schreibt in einer Mail vom 29. Oktober, dass die Systematik der Preisbildung in der Arzneimittelpreisverordnung eindeutig geregelt ist und für alle Apotheken gleich sei. Bei einer ärztlichen Verordnung von Cannabisblüten gelten diese laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) als Rezepturarzneimittel. Werden sie dann in unverändertem Zustand umgefüllt, abgefüllt, abgepackt oder beschriftet und an den Patienten abgegeben, ist gemäß §4 AmPreisV ein Aufschlag von 100% zu berechnen. Werden die Cannabisblüten zusätzlich zerkleinert, gesiebt oder in Einzeldosen verpackt, ist laut den Neue Rezeptur-Formularium (NRF)-Vorschriften ein Aufschlag von 90% zu berechnen, zu dem noch diverse Gebühren hinzukommen.

Dreieinhalb mal so teuer wie im Nachbarland

Hier zwei Beispiele zur Verdeutlichung. Um es einfach zu halten, gehen wir hier von einem Apothekeneinkaufspreis von zehn Euro aus. Dieser Wert kommt dem realen Einkaufpreis ziemlich nahe. Allerdings variiert der Einkaufspreis für Apotheken je nach Menge und Sorte.

Patient A geht mit einem Rezept über 10 Gramm Cannabisblüten der Sorte XY in die Apotheke. Auf dem Rezept hat der Arzt das Wort „unzerkleinert“ hinzugefügt. Somit wird die Medizin gemäß §4 der AmPreisV verkauft. Der Apotheker versieht die Originaldosen lediglich mit einem Label. Zuzüglich können die Apotheken die Betäubungsmittelgebühr nach §7 AMPreisV in Höhe von 2,91 Euro einschließlich Umsatzsteuer berechnen. Patient A bekommt die 10 Gramm demnach für 240,91 inklusive 19% Mehrwertsteuer.

    100,00 €(Einkaufspreis der Apotheke)

+ 100,00 €(vorgeschriebener Aufschlag der Apotheke)

    200,00 €

+  38,00 € (19% Umsatzsteuer)

+   2,91 € (Betäubungsmittelgebühr)

   240,91 €

Patientin B geht mit einem Rezept über 10 Gramm Cannabisblüten der Sorte XY in die Apotheke. Auf dem Rezept fehlt das Wort „unzerkleinert“. Jetzt werden die Blüten zerkleinert, in die auf der Verordnung angegebenen Einzeldosen aufgeteilt, umverpackt und deshalb gemäß §5 der AmPreisV verkauft. Der Endpreis von 245,37 Euro setzt sich dann wie folgt zusammen:

  100,00 €(Einkaufspreis der Apotheke)

+ 90,90 € (90% Aufschlag gemäß $ 5 AmPreisV.)

+  1,00 € (Verpackung)

+  3,50 € (Rezepturzuschlag)

+  8,35 € (Festzuschlag für Rezepturen) 203,75 €

+ 38,71 € (19% Umsatzsteuer)

+ 2,91 € (Betäubungsmittelgebühr)

  245,37 €

Die einzige Gebühr, auf die die Apotheken verzichten dürfen, ohne gegen die AmPreisV zu verstoßen, ist die Betäubungsmittelgebühr in Höhe von 2,91 pro eingereichtem Rezept. Das sollte angesichts der Situation in den Niederlanden, wo die selbe Medizin unter ähnlich peniblen Sicherheitsvorschriften bei ähnlicher Gesetzeslage für sieben Euro an den Patienten abgegeben wird, zu denken geben. Mittlerweile soll es auch schon die ersten Fälle geben, in denen Apotheken aufgrund einer zu patientenfreundlichen Preisgestaltung abgemahnt wurden. Laut ABDA und den drei anderen Länderkammern musste bis jetzt noch keine Apotheke zahlen. Das heißt aber nicht, dass etwaige Verfahren bereits initiiert wurden, denn über eventuell laufende Verfahren geben die Apothekerverbände keine Auskunft. Die Sprecherin der ABDA bestätigt in ihrem Schreiben ebenso, dass die Aufsichtsbehörden der Länder Verstöße gegen die Arzneimittelpreisverordnung ahnden können.

Bayern betont zusätzlich berufsrechtliche Schritte

Eine Sprecherin der bayrische Apothekenkammer ergänzt, dass „neben von der ABDA erwähnten Ahndung eine berufsrechtliche Ahndung durch die Kammer hinzu kommt.“  Bisher lägen solche Fälle in Bayern noch nicht vor, allerdings dürfe die Bayerische Landesapothekerkammer konkrete Einzelfälle aus datenschutzrechtlichen Gründen keine näheren Informationen geben.

Ein Sprecher der Apothekenverbände Westfalen-Lippe bestätigt, dass die Kammer bislang bisher in der Sache nicht tätig war. „Westfalen-Lippe noch keinen Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung mit einem Bußgeld belegt; insofern ergab sich für uns als Kammer bisher auch noch kein sog. berufsrechtlicher Überhang, der von uns zu verfolgen wäre.“ Auch die Antwort aus Baden-Württemberg bestätigt die Gefahr, in der sich Apotheken, die Cannabis billiger als vorgeschrieben abgeben, befinden. Auch dort können „Verstöße gegen die Arzneimittelpreisverordnung berufsrechtliche Folgen haben. Inwieweit hier Konsequenzen durch die Überwachungsbehörden zu erwarten sind, ist uns nicht bekannt“, heißt es aus der Pressestelle der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg.

Die Zeiten, in denen Apotheken den Patienten, die ihre Medizin oft selbst zahlen müssen, den Patienten entgegenkommen durfte, indem sie auf eigene Gewinne verzichteten, scheinen endgültig vorbei.

 

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