Gemeinsame Erklärung: Zentrale Forderungen für die deutsche Drogenpolitik zur Bundestagswahl 2021

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Es ist Zeit, den Reformstau in der Drogenpolitik aufzulösen!

Das Expertennetzwerk Schildower Kreis, Law Enforcement Against Prohibition (LEAP) Deutschland, der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (Akzept), die Deutsche Aidshilfe (DAH), der Deutsche Hanfverband (DHV), der Safer-Nightlife-Bundesverband Sonics und der Bundesverband Junkies, Ehemalige, Substituierte (JES) setzen sich seit langer Zeit für eine bessere, evidenzbasierte Drogenpolitik ein.

Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl ist es uns wichtig, die drängendsten Probleme der Drogenpolitik zu benennen und in Form von Forderungen an die zukünftige Bundesregierung zu präsentieren.

Generelle Entkriminalisierung des Besitzes geringer Drogenmengen

Wir fordern eine vollständige Entkriminalisierung des Besitzes geringer Drogenmengen ohne jegliche staatliche Sanktion. Drogenkonsum schädigt niemanden außer maximal den oder die Konsumierende; Bestrafungen irgendwelcher Art sind deshalb strikt abzulehnen. Dies betrifft auch die jüngst diskutierte Herabstufung des Erwerbs und Besitzes von Cannabis zu einer Ordnungswidrigkeit: Es ergibt keinen Sinn, Menschen, die (egal welche) Drogen konsumieren, mit Geldbußen oder anderen Zwangsmaßnahmen zu belegen.

Regulierung des Marktes für Cannabisprodukte

Durch diese Maßnahme würden Millionen Bundesbürgerinnen und -bürger von sinnloser strafrechtlicher Verfolgung befreit und Risiken durch Streckmittel, kriminelle Dealer u.a. deutlich reduziert. Polizei und Staatsanwaltschaft könnten sich intensiver um wirklich strafrechtlich relevante Delikte kümmern. Der Staat würde Steuern einnehmen, die gezielt gemäß den Prinzipien der Schadensminimierung erhoben werden können.

Bevor eine umfassende Regulierung des Handels komplett wirksam wird, könnte die Entkriminalisierung geringer Cannabismengen und des Eigenanbaus sowie die Legalisierung von THC-armen CBD-Produkten wie in vielen Nachbarländern sofort umgesetzt werden.

Die Regulierung des Cannabismarktes kann nur der Anfang für weiteren Wandel in der Drogenpolitik sein: Mittelfristig sind auch für alle anderen bisher illegalen Substanzen legale Regulierungsmodelle notwendig, um Belastungen für Konsumierende wie Beschaffungsdruck, Gesundheitsschäden, Überdosisrisiken, Beschaffungskriminalität und Ausgrenzung zu verhindern und gesamtgesellschaftliche Kosten zu minimieren.

Novellierung der Fahrerlaubnisverordnung und der StVO bezüglich illegaler Drogen

Eine Novellierung der Fahrerlaubnisverordnung ist dringend geboten. Aktuell kann der Konsum von Betäubungsmitteln ohne Bezug zum Straßenverkehr zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. Darüber hinaus sind die Grenzwerte insbesondere bei Cannabis sehr niedrig, deutlich niedriger als in unseren Nachbarländern. Beim deutschen Grenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum besteht längst keine Beeinträchtigung mehr.

Auch für andere Drogen sollten sinnvolle Grenzwerte gelten. Die von der Polizei angewendeten Schnelltests sollten nur aktive Wirkstoffe nachweisen, damit ein Test nicht noch Wochen nach dem letzten Konsum anschlägt.

Förderung von Schadensminimierung und Akzeptanz Drogen konsumierender Menschen

Maßnahmen der Schadensminimierung (“Harm Reduction”) sollten in der Praxis stärker anerkannt, rechtlich mit anderen Maßnahmen gleichgestellt und finanziell besser gefördert werden. Dies betrifft alle psychoaktiven Substanzen (auch Tabak, Alkohol und Medikamente). Dazu gehören u.a. Angebote zu kontrolliertem Konsum. Für Menschen mit Opioidabhängigkeit sollte Substitution und die Behandlung mit Diamorphin deutlich ausgebaut werden, ebenso wie andere Hilfsangebote mit einem akzeptierenden Ansatz. Dazu gehört auch Drug-Checking als sofort umzusetzende Maßnahme: Die Möglichkeit, illegale Drogen testen zu lassen, sollte nicht nur für ‘Partydrogen’, sondern auch für Cannabis, Heroin und alle anderen bisher illegalen Drogen zur Verfügung stehen und auch in Drogenkonsumräumen erlaubt werden.

Sinnvolle Besteuerung von Tabakprodukten, E-Zigaretten, Tabakerhitzern etc.

E-Zigaretten und Tabakerhitzer sind zwar nicht ohne Risiken, die Gesundheitsschäden solcher Produkte sind aber um ein Vielfaches niedriger als die der Verbrennungszigarette. Daher sollten E-Produkte für diejenigen, die nicht mit dem Rauchen aufhören können oder wollen, als Maßnahme zur Schadensminimierung stärker gefördert werden. Sie sollten daher deutlich niedriger besteuert werden als klassische Tabakprodukte. Das kürzlich beschlossene Gesetz, das eine ähnlich hohe Besteuerung vorsieht, sollte deshalb zurückgenommen werden.

Deutliche Stärkung der Verhältnisprävention bei Alkohol

In kaum einem anderen westlichen Land ist Alkohol so leicht und günstig verfügbar wie in Deutschland; gleichzeitig ist Alkoholwerbung allgegenwärtig. Wir fordern eine dem Risiko angemessene, insgesamt höhere Besteuerung, mehr Verkaufsbeschränkungen und Werbeverbote für Alkohol. Eine Substanz, die jährlich nicht nur Zehntausende Todesopfer fordert, sondern auch ein wesentlicher Faktor für Gewaltdelikte u.ä. ist, sollte nicht im großen Stil beworben werden dürfen.

 

Für die Verfasser
Dr. Bernd Werse (Sprecher des Schildower Kreises)

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