Nutzhanf: Bundesregierung zementiert rückständiges Verständnis

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Kürzlich wollte die Bundestagsfraktion DIE LINKE von der Bundesregierung wissen, wie sie zum Potential zu Hanf als Agrarstoff steht und fragte daher nach Möglichkeiten zur Erleichterung des Anbaus, konkret durch die Streichung von Nutzhanf mit einem THC-Anteil von unter 0,2% THC aus dem BtMG. Die Bundesregierung offenbart, dass sie keinerlei Erleichterungen für Nutzhanfbauern hinsichtlich des Abbaus von bürokratischen und ordnungsrechtlichen Hürden plant und damit im Begriff ist, die Rückständigkeit zu zementieren und eine weitere Zukunftsbranche zu verschlafen – und das obwohl Teile der Antwort zeigen, dass sie sich des enormen Potentials der Hanfpflanze durchaus bewusst zu sein scheint.

Seit 1996 ist der Anbau von Nutzhanfsorten nach dem Katalog der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zu landwirtschaftlichen Zwecken zwar erlaubt, dennoch unterliegen deutsche Hanfbauern diversen Hindernissen: So wird der rechtliche Rahmen für den Handel mit unverarbeiteten Pflanzenteilen im BtMG geregelt, was für Produzenten und Verarbeitungsbetriebe ein riesiges Handelshemmnis darstellt und ihnen sogar eine Klage wegen des illegalen Handels mit Rauschgift einbringen kann. Nachdem immer mehr Länder, allen voran die USA, Kanada und China, den Nutzhanfanbau legalisiert und die europäischen Nachbarländer ihre Hanfbauern schon längst von Einschränkungen wie in Deutschland befreit haben, leiden deutsche Hanfbauern und verarbeitende Betriebe u.a. durch die Begrenzung auf Sorten aus dem Nutzhanf-Sortenkatalog weiter unter einem massiven Wettbewerbsnachteil.

Trotz des hohen Potentials der Hanfpflanze als umwelt- und klimafreundlichen Rohstoff bleiben Investitionen in die Forschung aufgrund fehlender Planungssicherheit aus, es mangelt in Deutschland an Fachwissen, so DIE LINKE in ihrer Kleinen Anfrage. 

Um eine wettbewerbsfähige Hanfproduktion zu gewährleisten, muss der Nutzhanf nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller aus dem BtMG gestrichen bzw. Grenzwerte und Sortenauswahl sinnvoll und praxisbezogen geregelt werden. Gelingt das nicht, werden internationale Akteure aus den USA, Kanada oder China in diese Lücke stoßen und einheimische Betriebe den Hanfanbau bzw. die Hanfverarbeitung aufgeben

,so die Forderung der LINKE.

Und die Bundesregierung?
Sie sieht zur Streichung von Nutzhanf aus dem Betäubungsmittelgesetz „derzeit keinen Anlass“ und verweist dann wie bereits gewohnt auf die vom BtMG-Verkehrsverbot ausgenommenen Pflanzenteile und den EU-Sortenkatalog:

Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen sind bei Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen unter lit. b) zur Position Cannabis der Anlage I zu § 1 Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) bereits von dem allgemeinen Verkehrsverbot des BtMG ausgenommen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut von Sorten stammen, die im gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgeführt sind, oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen. Diese Zwecke müssen nicht nur beim Verkäufer, sondern vor allem bei dem Endnutzer vorliegen.

Trotz der real bestehenden bürokratischen und rechtlichen Hürden beim Nutzhanfanbau geht die Bundesregierung davon aus, dass mit den geltenden Gesetzen 

dem Marktpotential des Rohstoffs Hanf […] insofern Rechnung getragen [wird]. Zugleich wird ein angemessener, aber auch notwendiger Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und des Einzelnen vor den von dem (missbräuchlichen) Konsum des Betäubungsmittels THC grundsätzlich ausgehenden Gesundheitsgefahren gewahrt

,so die Antwort weiter.

Um die Kleingeistigkeit dieser Antworten am besten zu beschreiben, lohnt ein Blick auf die Antwort zur Frage 3 („Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine klare Unterscheidung zwischen medizinischem und bewusstseinserweiterndem Cannabis sowie Nutzhanf?“). Nach der Differenzierung bei Medizin in § 19 Absatz 2a BtMG und des Einheitsabkommens von 1961 betreibt die Bundesregierung hier begriffliche Haarspalterei:

Der von den Fragestellern verwendete Begriff „bewusstseinserweiterndes Cannabis“ ist kein Begriff des BtMG und nicht von allgemeinem Verständnisinhalt, weshalb der Bundesregierung hierzu keine Antwort möglich
ist.

Nichts neues auch beim Thema CBD: Nach dem Verweis auf die Verordnung (EU) 2015/2283 ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, dass 

für alle anderen Erzeugnisse der Hanfpflanze, z. B. für mit Cannabidiol (CBD) angereicherte Hanfextrakte, […]bislang keine Belege für einen entsprechenden nennenswerten Verzehr vor dem 15. Mai 1997 erbracht worden [sind]. Damit handelt es sich bei den betreffenden Erzeugnissen – sofern sie keine Betäubungsmittel oder Arzneimittel sind – um zulassungspflichtige neuartige Lebensmittel. Eine entsprechende Zulassung ist bisher nicht erfolgt.

Daran anschließend präsentiert die Bundesregierung eine sehr eigenwillige Einschätzung zum Marktpotential von CBD:

Neben der Nachfrage nach Hanfsamen steigt in den letzten Jahren ebenfalls die Nachfrage nach dem Inhaltsstoff CBD durch die Pharmaindustrie sowie der (Heimtier)futtermittelhersteller. Ursache hierfür ist, dass dem CBD eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben wird. Das CBD wird aus den Blüten und Blättern des Industriehanfes gewonnen, so dass sich hieraus eine weitere Verwertungslinie ergibt. Da es sich hierbei jedoch nach wie vor um einen äußerst kleinen Nischenmarkt handelt, wurde diese Verwertungsrichtung nicht hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit betrachtet. Stattdessen konzentriert sich die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf die reine Hanfsamenproduktion sowie die gekoppelte Samen- und Strohproduktion.

Allerdings scheint die Bundesregierung zumindest das wirtschaftliche Potential von Nutzhanf erkannt zu haben, wie sich aus den dezidierten Antworten zur Frage 7 der Kleinen Anfrage entnehmen lässt. Ein Blick ins europäische Ausland aber zeigt, dass in vielen Ländern der Hanfanbau schon wesentlich großflächiger als in Deutschland betrieben wird. Warum die deutsche Bundesregierung aber an ihrer anachronistischen Haltung beim Nutzhanf festhält, ist auch für die agrarpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Dr. Kirsten Tackmann, absolut nicht nachvollziehbar:

Obwohl die Bundesregierung die Potenziale des THC-armen Nutzhanfanbaus erkannt hat, blockiert sie weiter seine Streichung aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und zementiert damit völlig unnötig hohe Risiken für die Anbaubetriebe. […] Das ist völlig unnötig, denn die Verarbeitung und Nutzung der europaweit zugelassenen, praktisch THC-freien Hanfsorten und ihrer Produkte hat rein gar nichts mit medizinischen
Nutzungsmöglichkeiten oder der Nutzung als Droge aus anderen Hanf-Züchtungen zu tun. Trotzdem bleibt die Bundesregierung dabei, dass Nutzhanf die Tür dafür öffnen würde und bleibt bei der Regulierung als Betäubungsmittel.

Auch der Deutsche Hanfverband ist enttäuscht angesichts des rückständigen Denkens der Regierung, die selbst bei rauschfreien Nutzhanfprodukten die Begründung der von THC ausgehenden Gesundheitsgefahren als Begründung für die Regulierungen anführt. Und dass die Bundesregierung anscheinend der Auffassung ist, dass es sich bei CBD um „einen äußerst kleinen Nischenmarkt handelt“, geht komplett an der Realität und der ganzen Debatte um CBD-Blüten und der Beschlagnahmung von Waren im Wert von mehreren hunderttausenden Euro vorbei.

 

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