Cannabisanbau in Deutschland: Überschüsse vernichten?

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Die FDP-Bundestagsfraktion zeigte sich ob einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion empört. So sei die geplante Vernichtung von Überschüssen und Resten aus deutschem Anbau den Worten des Bundestagsabgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg zufolge „weder nachhaltig noch wirtschaftlich“. Die Bundesregierung hatte in ihrer Antwort geschrieben, aufgrund des UN-Einheitsabkommens über Suchtstoffe müssten 

die Cannabisanbauer aus ihrem erlaubten Anbau stammende und nicht zu Medizinalcannabis (getrocknete Cannabisblüten) verarbeitete Cannabispflanzen durch Verbrennung vernichten.

Natürlich wäre eine Weiterverarbeitung zu cannabishaltigen Medikamenten wirtschaftlicher, aber die Bundesrepublik hält sich bei der Gesetzgebung zu medizinischem Cannabis wortgenau an das Einheitsabkommen. Dort steht, dass eine staatliche Agentur die gesamte Produktion aufkaufen muss. Deshalb dürfen die Produzenten selbst weder Blüten noch sonst irgendwelche Teile ihrer Produkte in den Handel bringen.

Liest man die Antworten auf die Kleine Anfrage aber bis zum Ende, gibt es dort durchaus ein Schlupfloch im Ausschreibungsverfahren, das die Verarbeitung sowie den Verkauf von Überschüssen und Resten ermöglicht.

Sofern sich eine Möglichkeit ergibt, aus dem ansonsten zur Vernichtung vorgesehenen Cannabispflanzenmaterial, Arzneimittel oder Wirkstoffe zu gewinnen, enthält § 5 Absatz 3 des Vertrags, der ein wesentliches Element des Vergabeverfahrens ist, eine Nachhaltigkeitsklausel zur Ermöglichung des Verkaufs zu diesen Weiterverwendungszwecken an Dritte.

Der Verkauf von Resten und Überschüssen muss, genau wie das Inverkehrbringen der Blüten, über die Agentur geschehen. Ein Blick in das im Juli neu gestartete Ausschreibungsverfahren bestätigt diese Möglichkeit. Dort heißt es unter §5 des vor wenigen Tagen aktualisierten Vertragsformulars:

(3) Die Parteien können vereinbaren, dass nach dem Vertrag zu vernichtende Pflanzenteile an einen Dritten verkauft werden, wenn und soweit die gesetzlichen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Verkauf erfüllt werden. In diesem Fall erhalten die Parteien im Innenverhältnis jeweils die Hälfte des Nettoverkaufserlöses. Eine solche Vereinbarung bedarf der Schriftform.

(4) Der Auftraggeber wird den Auftragnehmer mit einer angemessenen Frist unterrichten, ob Cannabisblüten vernichtet werden sollen und ob bei der Ernte zurückbleibende und nicht weiter verwendete Pflanzenteile gemäß Absatz 3 veräußert werden sollen.

Solange die Cannabisagentur die Hälfte abbekommt und zustimmt, dürfen Überschüsse und Pflanzenreste also problemlos weiter verkauft werden. Das dürfte auch für den Export ins Ausland gelten, selbst wenn die Bundesregierung laut Antwort auf die Kleine Anfrage zur Zeit keinen Anlass sieht, darüber nachzudenken.

Nur noch 10 statt 30 Prozent Sicherheitspolster

Bei der Antwort zu einer möglichen Mengenerhöhung im Falle von Versorgungs- und Lieferengpässen scheint die Bundesregierung auch nicht ganz up to date zu sein. Während in den aktuellen Ausschreibungsunterlagen vom 27.8.2018 steht, im Bedarfsfalle bestünde die Möglichkeit, die Vertragsparteien könnten vereinbaren, dass 

Der Jahresplanbedarf je Lieferjahr um bis zu 10% erhöht wird. Jahresplanbedarf i.S.v. § 2 Abs. 1 ist dann die erhöhte Liefermenge. Es gilt das gemäß § 7 vereinbarte Entgelt, wobei der erhöhte Jahresplanbedarf dann der Jahresplanbedarf i.S.v. § 7 dieses Vertrages ist. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform.

antwortet die Bundesregierung der FDP einen Tag danach:

Im Vergleich zum vorherigen Ausschreibungsverfahren ist in der neuen Ausschreibung bereits ein höherer Bedarf berücksichtigt und die Gesamtmenge von 6 600 Kilogramm auf 10 400 Kilogramm für vier Jahre erhöht. Aus Gründen der Vorsorge enthält der mit den  erfolgreichen Bietern abzuschließende Vertrag – der ein wesentliches Element des Vergabeverfahrens ist – eine Öffnungsklausel, um im Versorgungsbedarfsfall den Jahresplanbedarf um bis zu 30 Prozent zu erhöhen.

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